· 

Ein Malheur das Fragen aufwirft

Eine von Besuchern oft gestellte Frage ist "Warum machen sie das eigentlich?"

Gemeint ist in meinem Fall der Aufwand rund um die Kleidung : Handnähte,  die Reinheit der Materialien und die Handfärbungen, die Suche nach dem richtigen Faden für ein Projekt. Um ein Bild vergangener Kostüme zu erzeugen würden ja auch maschinengenähte Kleidungsstücke mit Kunstfaseranteil ausreichen. Das wäre einfacher, schneller und würde nur einem Bruchteil der Summe kosten, die man für ein handgenähtes, handgefärbtes Stück aus reiner Wolle zahlt.

Die schnelle Antwort auf diese Frage lauter, es sieht nur echt aus, wenn es echt ist.

Die etwas längere Antwort lautet, dass es ein beachtlicher Teil des Eintauchens in die Vergangenheit ist. Man zieht solche Kleidung an und fühlt sich in eine andere Zeit versetzt weil diese Kleidung sich erst einmal fremd anfühlt, die Leinenwäsche ist weniger anschmiegsam als es unsere moderne Trikotware ist, Wolle ist in der Regel rauh, das Fehlen von Reißverschlüssen,Gummibändern und Druckknöpfen erscheint uns unzweckmässig. Man muss sich auf diese Details wie Gewandschließen,  Gürtel, Bänder einlassen.

Die Kleidung ist ganz klar ein wichtiger Teil der persönlichen Zeitreise. Trägt man sie oft genug, stellt man fest, das viel getragene Wende-Schuhe beispielsweise die gleichen Verschleißstellen  aufweisen wie historische Fundstücke.

Schuhe tauchen im Fundgut recht oft auf und das für eigentlich alle Epochen. Bei der Kleidung ist es schwieriger, wir haben nur wenige Fundstücke die in Gräbern oder Abfallgruben erhalten sind und das nur in seltenen Fällen als komplettes Kleidungsstück. Die Bildnisse die uns Kleiderformen und Details anzeigen zeigen sicherlich eine geschönte Welt, ohne Flecken und Verschleißspuren. Weißes ist blitzweiß, alle Kleidung wirkt glatt (vom Faltenwurf abgesehen) und die Welt erscheint im Sonntagsstaat.

(Also in den historischen Quellen, Kino und TV sind immer noch bemüht die Welt von damals möglichst grau und schmutzig darzustellen, aber das ist nicht das Ziel dieses Blogposts. Auch möchte ich hier nicht für fleckige Färbungen werben, im Gegenteil.)

Die Nacharbeit eines historischen Kleidungsstücks kann unterschiedlich detailliert ausfallen, je nach dem ob man nur einen optisch stimmigen Eindruck haben mag oder so nahe den Originalen sein mag wie es nur geht. Beim Letzteren beginnt die Arbeit mit der Suche nach dem richtigen Faden. Hier im Beispiel und dem Grund für diesen Post eine römerzeitliche Tunika aus fest gesponnenen S/Z gedrehten Garnen (S/Z = rechts oder links herum gesponnenen Fäden) 

Diese Tunika soll rote Clavi haben, das sind sehr dicht gewebte Streifen aus Krapp gefärbter Wolle. Um diese Streifen so dicht zu weben dass der Kettfaden nicht mehr sichtbar ist, muss alle 4 Schusseinträge, Zentimeter für Zentimeter in die Faden gegriffen werden und mit Kraft die Fäden zusammen geschoben werden. Bei einer Gewebebreite von 1,30m benötigt ein solcher 3cm hoher Streifen etwa 3 Stunden Arbeit. Die Tunika hat 4 solcher Streifen. Das Weben des Grundgewebes und das Einrichten des Webstuhls nicht mitgerechnet. Zusammen mit der Mühe der sorgfältig gesponnenen Garne, dem Aufwand und den Kosten des Farbstoffs, stellt die Kleidung vergangener Epochen einen andere Wertigkeit im Gegensatz zu unserer heutigen sehr funktionalen aber doch recht günstig produzierten Kleidung dar.

Das Malheur.

Nach der Fertigstellung des Gewebes habe ich wie ich das oft tue, das Gewebe eingeweicht. Gerade Single Garne gewinnen dabei Volumen.Bei der anschließenden Wäsche fügt sich der Faden in seine Position, das Gewebe springt dabei ein und nach dem Trocknen fällt das Gewebe in der Regel gefälliger als frisch und steif vom Webstuhl kommend.  Im Englischen heißt dieser Arbeitsschritt "fulling". 

In diesem Fall - es ist meine erste blitzweiße Tunika mit pflanzengefärbten roten Streifen - hat der rote Farbstoff ausgeblutet. Das Garn, gefärbt von einer erfahrenen Färberin, gut ausgespült ist vollkommen in Ordnung, genau so wie es sein soll. Dennoch hat sich der Farbstoff in den Stunden des Einweichens auf die darunter liegenden weißen Falten durch gedrückt.

Die anschließende Wäsche,und die Behandlung mit Gallseife haben keine Besserung verschafft.

Die Streifen sind stärker eingelaufen als das Grundgewebe, dies habe ich auch bei anderen Arbeiten beobachtet wenn die Bindung/Dichte sich so stark unterscheidet. Dadurch bildet das Grundgewebe an den Clavi kleine Fältchen.

Die Fragen :

  • Ist so etwas den Römern auch passiert ?
  • Wie hat man solche Stücke gepflegt ? Ein solch aufwendiges Stück wurde doch sicherlich gewaschen, nun könnte man argumentieren man hat auf das Einweichen verzichtet und zügig gewaschen bevor die Farbe sich abdrücken kann. Man könnte das Stück beim Trocknen so aufhängen das das Wasser am Streifen herunter laufen kann.
  • Was wenn man mit solcher Kleidung im Regen unterwegs war ? Beim Trinken gekleckert hat ?
  • Was passierter mit fleckiger Kleidung ? Trug man sie zu Hause auf (Räuberzivil) wurde sie umgearbeitet, zB überfärbt?
  • Sind Gewebe mit Clavi immer wieder mal unterschiedlich eingesprungen ? Gerade in einer Großproduktion wo die Garne von unterschiedlichen Spinnern und Schafen zusammen kommen, könnten solche Unregelmässigkeiten passiert sein.
  • Gab es eine Art B-Ware und einen Markt für solche Stücke ? 
  • Fand man das alles evtl gar nicht schlimm - so wie man heute abfallende Knöpfe und schlecht gearbeitete Nähte als fast normal annimmt ?

Fragen die sich wiederum nur stellen, wenn die Sache echt ist. Gerade bei den Rottönen,  pflanzlich aber auch Insektenfärbungen höre ich von Darstellern das z.B. das Regentropfen Flecken hinterlassen oder ganze Färbungen auf andere unerwünschte Farbtöne umschlagen.

Fragen deren Antwort oft verloren ist, weil Bildnisse eine geschönte Welt zeigen und Fundstücke selten den Urzustand aufweisen.

 

Meine Überlegung :

muss man über die eigene Eitelkeit nachdenken und kann Gegebenheiten wie Verfärbungen, Pillingbildung und Dehnungsknitter ertragen ? Gibt es ein Zwischending zwischen der grauen schmutzigen Vergangenheit aus Filmen und Dokus (Stichwort Schlammlederson) und dem aus dem Ei gepellten neuwertigen Outfit der geschichtlichen Darsteller ? 

Mag man die überlieferten Bilder mit ihrer Bildsprache überdenken und in Erwägung ziehen das manche Kleidunggstücke  möglicherweise nicht für den ganzen Tag gedacht waren sondern ähnlich wie ein Frack oder Abendkleid nur zu Anlässen getragen wurden ? 

Meinen Tunika-Stoff werde ich als Lehrgeld verbuchen und einlagern bis mir eine Verwendung einfällt. Auch so etwas ist ein Teil der Sache : festzustellen das man immer wieder an Grenzen stößt weil und Erfahrungswerte fehlen. Als römische Weberin hätte man mir vermutlich schon beim Erlernen des Handwerks gepredigt was man macht und was man nicht macht, damit solche Dinge nicht passieren. Da mir dieses Basiswissen fehlt sind Versuch und Irrtum der Ersatz.