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Die Suche nach dem perfekten Schiffchen

Lernt man einen Beruf von der Pike auf, erlernt man viele Kniffe die man sich als Autodidakt mühsam zusammensuchen muss. So ist das Handweben ein nahezu aussterbender Beruf in Europa und die alten Hasen die den Beruf mühsam als Lehrjungen und Lehrmädchen durchlaufen haben sind lange schon im Ruhestand.

 

Gegen Ende es ersten Lockdowns habe ich einen schönen Webstuhl  gekauft, er hat lange Jahre gelegen und die Schnelllade war nicht mehr gängig. In der Isolation war es schwierig, jemandem über die Schulter zu schauen und sich die nötigen Kniffe zeigen zu lassen, also musste ich mich alleine da durch ochsen. Immerhin gibt es das Internet, aber oft hätte ich gerne jemanden direkt getroffen um mir Dinge zeigen zu lassen.

Der Webstuhl musste neu ausbalanciert werden, und die Schnelllade gängig gemacht werden.

Nachdem die vorhandene Technik erst einmal nicht mehr gängig war, habe ich mich für eine Leichtbauweise entschieden. Denn eine schwere Lade zu bedienen kostet Kraft, Schuss für Schuss.

Mit einigen Umwegen habe ich meine Lade nach der Andreas Möller Methode eingerichtet.

Das Weben per Schnelllade ist eine eigene ausgeklügelte Technik, die man wirklich üben muss und ich bin noch weit davon entfernt schnell zu sein. Wichtig ist die Wahl des Schiffchens. Nachdem ich einiges ausprobiert habe hat sich einiges angesammelt, und da ich durch Versuch und Irrtum langsam zum Ziel komme.

Also zeige ich einfach mal, was ich an Schiffchen habe und was sie können.

 

Problem No 1 ist der Ablauf des Fadens.

Egal welches Schiffchen man befüllen muss, und wie die Unterlage dazu ist, die Spule muss fest gewickelt sein. Man kann dazu den Klopf-Test machen, indem man das Röllchen sanft gegen eine Tischkante schlägt : das Röllchen sollte Klopfgeräusche machen. Tut es das nicht, ist das Garn zu locker aufgespult und kann sich ineinander drücken, es läuft dann nicht sauber ab. Das Schiffchen wird beim Durchlaufen des Fachs vom Faden gebremst. Ein sorgfältiges Spulen ist sehr wichtig.

 

Läuft der Faden zu schnell von der Spule ins Fach, bekommt man unsaubere Webränder.

Bei den Handschützen legt man idealerweise beim Fangen des Schiffchens, den Daumen auf die Fadenspule. Die Spule wird gebremst und ein ganz sanfter Zug am Schussfaden sorgt für eine glatte Webkante. (Alle meine Erfahrungen beziehen sich auf die Verarbeitung von Wolle.) Nicht vergessen den Faden bogenförmig einzulegen, damit der Schussfaden genug Platz hat sich  um die Kettfäden zu legen. Das passiert mit etwas Übung in einer fließenden Bewegung irgendwann ganz ohne Nachdenken. Hat man damit Schwierigkeiten weil weben eine gut Hand-Fuß Koordination erfordert, dann ist dies nicht schlimm, denn es gibt auch Schiffchen für Handweber die eine Fadenbremse haben.

 

Schiffchen brauchen Pflege !

Jedes Schiffchen fliegt einmal weiter als es soll und landet mitunter hart. Scharten im Holz sollte man wieder glatt schleifen und ab und zu braucht das Holz etwas Pflege in Form von Holzwachs oder Möbelpolitur. Dieses muss dann gut einziehen und das überschüssige Material mit einem Lappen weggenommen werden, gleichzeitig sollte man das Holz schön blank reiben.

 

Vorstellung meiner Handschützen

Schiffchen mit und ohne Rädchen, das unterste Schiffchen ist ein Schiffchen für Panama-Bindungen, hier laufen 2 Röllchen gleichzeitig ab und legen die Fäden parallel im Fach ab
Schiffchen mit und ohne Rädchen, das unterste Schiffchen ist ein Schiffchen für Panama-Bindungen, hier laufen 2 Röllchen gleichzeitig ab und legen die Fäden parallel im Fach ab

In meinem Fundus gibt es Marken Schiffchen und Schiffchen ohne "Herkunft" die gebraucht zu mir gekommen sind.  Eigentlich sind sie alle gut, ich bin nicht markenbewusst. Es gibt welche mit Röllchen am Boden und welche ohne. Mir sind die ohne lieber, da sie leiser laufen. Ich mag Ruhe und gerade das Weben mit dem Handschützen hat etwas Meditatives. Mein liebstes Schiffchen ist ein markenloses, das mittige mit den dunklen Spitzen.

Schiffchen mit Verschleißspuren sind oft die besten Schiffchen, nicht umsonst wurde damit viel gearbeitet.

 

 

End Delivery Shuttle von Schacht
End Delivery Shuttle von Schacht

Eine Handschütze mit Fadenbremse gibt es beispielsweise von Schacht.

Das Garn muss auf Pirns gewickelt werden und das Spulen erfordert eine andere Methode als das von Röllchen. Man spult von hinten nach vorn, damit später das Garn von der Spitze weg ablaufen kann.

Es ist wuchtiger als die üblichen Handschützen.

Wie oben erwähnt sorgt sie für saubere Webränder, wenn man beispielsweise Probleme mit den Daumengelenken oder der Hand-Fuß Koordination hat.

Der Faden läuft gleichmässiger ab und liegt damit sauberer im Fach. Die Fadenspannung kann mit einem beigelegten Imbusschlüssel feinjustiert werden.

Dieses Schiffchen durfte schnell weiter ziehen, es lag mir zu wuchtig in der Hand und beim Werfen von Hand habe ich keine Probleme mit unsauberen Webrändern.


Nun zu den Schnellschützen.

Hier hat die Sammelwut von Altertümchen in den 80gern eine Menge unterschiedliche Typen bewahrt. Man bekommt sie oft bei Ebay und Co, meist mißbraucht weil man sie mit Blumengestecken bestückt irgendwo an die Wand im Partyraum gehangen hat. Wie funktional sie sind erkennt man manchmal erst beim Reinigen.

 

Meist heißt es Schnellschützen müssen eine Metallspitze haben. Müssen sie aber eigentlich nicht. Die Spitze schützt das Schiffchen beim Aufprall wenn es einmal aus der Bahn fliegt. Dabei schlägt es meist irgendwo hart auf, weil es große Wucht hat. Man erkennt Plätze an denen solche Webstühle standen, an den Einschlägen im Fußboden. 

Als Handweber hat man meist keine Werkstatt mit sehr viel Platz ringsum und so ein Schiff mit Metallspitze kann erheblichen Schaden anrichten, wenn es mal den Heizkörper oder gar Mensch oder Haustier trifft. Lieber ersetze ich ein Schiffchen, und deshalb finde ich die Metallspitze nicht nötig, die Metallspitze hat auf den Webprozess keinen Einfluss. Ein Schiffchen ohne Metall hat übrigens immer noch große Wucht.

Wer sich nun überlegt die Spitze heraus zu nehmen und durch eine Holzspitze zu ersetzen, dem möchte ich diese Bild mit auf dem Weg geben : die Spitze sitzt tief im Holz und ist ganz genau eingepasst und eingeklebt.

Dieses Schiffchen wurde von mir zersägt um zu schauen wie tief die Spitze im Holz eingelassen ist. Es war schon vorher kaputt und konnte der Neugier geopfert werden.

Es klingt logisch aber tatsächlich vergisst man es schnell : Schiffchen und Lade müssen zusammen passen !

Die meisten Schnellschuss-Laden sind abgeschrägt, aus diesem Grund gibt es abgeschrägte Schiffchen die in solche Laden passen. Das muss es damit das Schiffchen einen guten Schwerpunkt hat, und gut in der Bahn liegt. Die Last des Schiffchens die auf das Riet wirkt wird gut verteilt, tut es das nicht kann es durch die immer wiederkehrende Belastung das Riet beschädigen.

Da meine Lade nach der Andreas-Möller-Methode gebaut ist, die sehr leicht ist, habe ich auch 2 Arten von Schiffchen in Leichtbauweise. Aus seiner Werkstatt stammen die Pluma Schiffchen, die extrem leicht sind. Das Spulen in Pirnform auf einfachem Papier muss man mögen, mir fällt es schwer. 

Eine weitere Entwickung von A.Möller sind Schiffchen in Wagenform mit Rädern aus Papier. Immer noch schön leicht, meine Nachbauten haben einen Spulenhalter aus gebogendem Drahtkleiderbügel, so das auch div Pirns passen. Meine Schiffchen sind nicht sehr robust, so das sie ab und an neu geleimt werden müssen, wenn sie hart aufprallen, wirklich zerstört ist bisher noch keins, nach viel Laufleistung und einigen Sturzflügen nicht.  Meine wurden aus Bastelleisten und Restholz gebaut, die Räder sind aus Papier und Tesafilm mit Schaschlik-Hölzern als Achse. Gutes muss nicht teuer sein.

Der Nachteil dieser Wagenschiffchen ist, das der Faden nicht gebremst wird und wenn es aus der Bahn fliegt und die dicke Nase oft mehrere Kettfäden zerreißen kann.

Nun zu den Schnellschuss-Schiffchen aus dem Trödelbereich.

Oft im gemischen Konvult angeboten, sammelt sich schnell eine Palette an und oft ist nicht ersichtlich ob und wo etwas fehlt.

 

Während dieser Blogeintrag entstanden ist, habe ich die alte Original Schnelllade des Webstuhls wieder zurück gebaut. Die Leichtbauweise hat sich  nicht mit den schweren Schiffchen mit Fadenbremse vereinen lassen. Ohne Fadenbremse sind meine Garne zu schnell ins Fach abgelaufen und haben ein unsauberes Webbild hinterlassen. 

Mein Lieblingsschiffchen ist die No 9 . Durch einen Glücksfund bei Ebay Kleinanzeigen habe ich passende Pirns auftreiben könne, so das ich nicht nach 3 Spulen (Pirns) aus dem Webstuhl muss, um die Spulen neu zu füllen.

Wie das Shuttle von Schacht hat das Nasenschiffchen vor der Metallschnecke durch die der Faden abläuft eine Fadenklemme die den Faden sanft bremst.

Das Einlegen der Pirns in die Klemmvorrichtung geht oft etwas schwer und hat tatsächlich schon mal einen blauen Fleck auf meinem Handballen hinterlassen. Vielleicht sollte ich ein Hölzchen bereit halten, das zwischen Handballen und Schiffchen den Druck etwas verteilt ? Es wird sich finden.

Das ganz einfache Schiffchen das beiWebrahmen bei liegt nennt sich übrigens im Fachjargon Webernadel.

Hier eine Luxus-Version aus beschnitzen und polierten Tierknochen. (mittelalterliches Motiv, auf moderenem Schiffchen)

Natürlich möchte ich auch Andreas Möller verlinken, er hat einen Youtube-Kanal und eine Werkstatt in Hamburg, seine Anleitungen sind als E-Book käuflich 

Homepage von A.Möller 

Liebe Weber :in,

das Netz hat Dich vermutlich hier hin gespült weil Du Probleme beim Weben hast.

Es gibt ein noch recht junges Forum mit einem Bereich für Weber, wo wir gemeinsam Probleme lösen können:

das Mittelalterforum.org, Auch wenn der Name Mittelalter beinhaltet, sind mit dem Einverständnis der Gründungmitglieder alle Weber auch ohne historisches Interesse herzlich willkommen.